Ich habe mit 8 begonnen mich mit Bambusflöten, eigentlich Schilfflöten, zu beschäftigen. Als Kind habe ich dann in Kairo jeden Tag im Flur unseres Hauses gesessen und die Nay gespielt. So konnte die Musik im Treppenhaus hochsteigen und mir ein Echo zurücksenden. Jeden Nachmittag mein gleiches Ritual. Und wenn ich einmal es nicht tat, kamen die Nachbarn runter schauen ob ich gesund bin oder weshalb ich nicht geflötet habe. Ich kann mir so etwas in Deutschland einfach nicht vorstellen.
Als Teenager hatte ich schon längst begonnen eigene Flöten zu basteln und habe dann auch in Hotels Abends mit der Band gespielt, mal die Gitarre, mal die Flöte und mal gesungen. Ich glaube mit 14 oder 15 haben ich begonnen einmal im Jahr die Flöte auf Safari-Wanderungen mitzunehmen und einfach mit mir alleine zwischen Himmel und Erde geflötet. Später im Studium war sie stets auf jeder Expedition und als ich dann Fremdenführer wurde, habe ich sie vom ersten Tag zum rufen meiner Touristen eingesetzt. Man sagt, dass es ein paar Jahre dauert bis man in der Fremdenführungsbranche sich einen Namen macht. Dank der Nay-Flöte hat nach wenigen Wochen fast jeder in der Branche mich gekannt.
Die Nay ist keine gewöhnliche Flöte. Sie ist mitunter eines der ältesten Instrumente der Welt und nicht jeder kann sie spielen. Es braucht einige Jahre, bis man sie beherrschen kann. Kaum war ich in einem Tempel ranten die Wächter freudig auf mich zu und riefen „Ya Nayati“, „Ahlan Bil-Nayati“ oder „Ya Abu Nay“. Ich war also von den Ägyptern zum Nayati getauft. Das ist soviel wie der der die Flöte spielt, der Flötenspieler also, oder der Mann mit der Flöte oder der Flötenmacher.
Ich kann mir mein Leben ohne die Bambusflöte nicht vorstellen! Einmal alle paar Monate oder Jahre geht man auf die Straße, spielt die Flöte und verkauft ein paar Günstige an Kinder die hinter einem her rennen. Ob der Rattenfänger von Hameln von dieser Geschichte beeinflusst war?
Als ich dann drei Jahre in Deutschland war, konnte ich es nicht mehr ohne Flöte aushalten. Zwar hatte ich meine Flöten, aber es fehlte die Interaktion und vor allem das Bauen von Flöten für Flötenspieler. Und mir fehlte der Flötenspaziergang durch die Straßen. Also begann ich meine Flöten wieder zu bauen, doch diesmal kannte man die Flöte nicht. Es war kein Symbol einer uralten Kultur, eher ein „primitives“ Instrument. Es hat Jahre gedauert, bis man in Deutschland auf die Schönheit der Bambusflöten gekommen ist. Heute baue ich für Musikproduktionen, für Philharmonien und Musicals alle möglichen Flöten.
Ich werde gebeten Flöten einzuschätzen und zu bewerten und hin und wieder ist ein Artikel in der Zeitung über meine Flöten und mir. Diverse Verlage fragen, ob sie meine Bilder verwenden dürfen und selbst ein Verlag will einige Flöten von mir in ein Schulbuch gebracht haben. Ich lade euch alle ein. Weder meine Bilder und Videos noch meine Texte sind geschützt. Ihr könnt sie alle nutzen, solange ihr die Quelle mit Angabe meines Namens und dieser Website www.shakuhachi-shop.de angibt.
Wo wäre ich also heute ohne diese Flöten?
Wenn ich mich an meinen Vater erinnere. Er wollte nicht dass ich Flöte spiele, da Flötenspieler (siehe Nayspieler) einen schrägen Mund hätten. Viele Jahre später habe ich ihn gefragt, ob mein Mund schräg geworden ist. Er musste über sich selbst lachen. Ich habe in meinem Leben so viele Flöten gebaut, dass ich sie selbst nicht einmal zählen könnte. Ich weiß es echt nicht mehr, ein paar tausende auf jeden Fall. Und trotzdem freue ich mich auf jede neue Flöte, wenn sie fertig is. Ich kann es mir nicht erklären, doch wenn ich sie so ein Rohr halte, es reinige, schleife, vermesse, bohre, brenne, nachstimme, binde, behandel und wieder nachkorrigiere und es dann spiele und sie dann erklingt, bin ich einfach glücklich und dankbar, dass mir dies gegeben ist.
Ich bin dankbar, dass ich in Deutschland und der Welt so viele Flöten verbreiten darf.
Letztes Jahr hatte ich einen kleinen Filmauftrag in Frankfurt am Main für eine private Firma (internes Lehrvideo) und da sah ich drei junge Straßenmusiker. Und der eine spielte ein seltsames Instrument und setzte es als Nay an. Ich sagte meinen Kollegen, das kann er nur von mir haben. Sie lachten locker. Doch als wir uns näherten erkannte mich der junge Musiker. Er hatte tatsächlich meine Filme und Bücher studiert. DAS macht mich glücklicher als jeden Soloauftrag sei es in der Musikhochschule oder Philharmonie oder sonstwo. Es sind diese Menschen die mich glücklich machen, die einfach meine Bücher lesen und meine Flöten spielen.
Ich möchte mich hierfür bei euch allen bedanken.