Erster Tag in Tel-Aviv

Ich bin in ein echt interessantes Haus gelandet. Alleine die Fliesen sind es wert hier zu sein.

Klar, es ist renovierungsbedürftig, doch mich stört das nicht. Kalt ist es hier, auch bei 30 Grad.

Zwei Hunde und eine Katze und drei Musiker, die mich alle sehr freundlich aufgenommen haben.

Ich wollte den Tag etwas ruhen und spazieren und so lief ich zum Hafen. Immerhin hatten wir hier 26 Grad. Alle Häuser am Hafen sind mit Kalkstein verklinkert oder gar daraus gebaut. Und je näher man zum Wasser kommt, desto älter und enger es wird. Die vielen Gassen mit aufsteigenden glattgelaufenen Treppen und den dazwischen errichteten Cafés haben was Bezauberndes. Man kann kaum glauben, dass nur 500 meter tiefer ins Land ein Stadttrubbel ist als wäre es der Tahrirplatz in Kairo.

Eli hat mich angerufen als ich gerade am Hafen ankam und vereinbart mich bom arabischen Haus gegen 15:00 abzuholen. Er wolle mir einiges zeigen.

Also entschied ich mich etwas zügiger zu laufen, ich bin ja noch ein paar Tage hier.

Ich kaufte mir für 15 Schekel beim Palästinenser ein Falafelbrot und ging durch den Markt und entlang den Hafen.

Ich schwöre bei allem was mir heilig ist und jemals werden kann, wäre es nicht die Kippah auf dem Kopf der alten Männer, wie sie vor ihrem Laden mit einem Kaffee Backgammon spielen, dann würde ich denken ich bin im Khan Khalili-viertel in Kairo. Ja selbst Papyrus verkaufen sie. Ich suchte ob ich eine neue Flöte entdecken kann, doch die achäbigen Kawalas waren tatsächlich nicht für Musik gedacht.

Punkt 15:00 war ich zurück und sprang in Elis Auto.

Welch Freude ihn zu sehen. Eli ist ein Energiebündel und obwohl ich ihn nur kurz kennenlernte hat er mich empfangen als wären wir 50 Jahre Brüder.

Faszinierend dieses Volk. Ich erinnerte mich an meinen Gedanken aus dem Kibbutz, dass es diese Hingabe zum Menschen ist, welches dieses Völkchen ausmacht. Allerdings als Gesamtvolk, auch die israelischen Palästinenser, zumindest die ich traf, beginnen sofort von dem Positiven im Land zu sprechen. So hat im Baklawa Laden mit Kaffee gegenüber der Inhaber mir eine halbe Stunde von den tollen und hilfsbereiten Menschen erzählt, egal ob Jude oder Muslime.

Eli nahm mich zu einer Stelle wo ich von Jafo bis ins moderne Tel Aviv am Wasser sehen kann.

Dann fuhren wir nach Modain. Sein Vater welcher in 1967 und 1973 kämpfte und nun selbst über 90 ist, wollte mich unbedingt sehen.

Nicht ganz unerwartet hat er viel über Geschichte gesprochen, dass er von den Ägyptern in Ismailiyya beeindruckt war, als sie dort einmarschierten. Dass er ein Sadat-Fan war, wie nahezu alle älteren Israelis. (Sadat hatte den yom kippur Krieg begonnen und anfangs sogar teilweise gewonnen, bis die Israelis auch einen Vorstoß machten).

Für Ägypten war es wichtig die Ehre wieder herzustellen nach den vielen Niederlagen. Die Überquerung des Suezkanals und die Rückgewinnung Teile des eroberten Sinais hat dafür gesorgt. 1979 schloss er den Frieden mit Israel und Ägypten bekam hierdurch den Rest des Sinais zurück, bis auf eine Stadt. Taba hat dann Ägypten durch ein Urteil des internationalen Gericht zurückgewonnen.

Der alte Mann wusste bestens bescheid. Und wie auch sonst, hat er auch seine Geschichte niedergeschrieben und veröffentlicht.

Er sprach sowohl Deutsch wie ein paar Brocken Arabisch. Seine Wohnung war klein und erinnerte mich an die Wohnung meiner Tante Karima aus Ägypten.

Wenn er sprach lehnte er sich etwas vor in der Couch. Zwischen den Worten machte er oft eine Pause, um dann mit seiner rechten Hand die Worte zu betonen, um dann seine Hände vor seiner Brust zu verschränken und sich wieder zirück zu lehnen.

Er sprach bedacht und mit der Autorität seiner Erfahrung und seines gefüllten Lebens. Spitz war er und machte seine Witze. In der Marine war er auch kurz. Und während seine Kompanen in Marseille die Mädels checken wollte, ging er zur Post um seiner Leidenschaft nachzugehen. Diese würde aber erst am Montag aufmachen. Das wußte er nicht und die Frau welcher er fragte sagte ständig Lundi, Lundi.

Er dachte sie beschimpft ihn. Erst auf dem Schiff habe man gelacht und ihn aufgeklärt, was die aufgebrachte Frau sagte. Er lächelte und lachte über sich selbst und sank einen Momenz zurück in seine Gedanken von einst. Kurz konnte ich ihn in jungen Jahren sehen, naiv stolz nach Briefmarken suchend. Wer sammelt heute schon Briefmarken in der Zeit bon Googlemail und WhatsApp.

Ein ganzes Kultursymbol, eine Kommunikationmethode mit eigenen Regeln und Knigge, eine Denkmalpflege, das Briefmarkensammeln; alle sind an unseren Fingerspitzen am Handy in Vergessenheit gesunken.

Ich war mit Elis Vater eins im Geiste für ein Moment. Ich hätte noch viele Momente tanken können, doch nach zwei Stunden gingen wir.

Eli stellte mich seiner Expartnerin vor, welche ihm als Mensch viel bedeutet. Noch ein gemeinsamer Nenner, meine Expartnerin ist nicht nur mir wichtig, sondern wahre Familie. Ich bin stolz auf unsere Familie und darauf, dass meine Frau dies auch so sieht und oftmals ejer an sie denkt als ich. Ich teilte dies mit meinem neuen Freund Eli und wir verstanden uns so wie Semiten unter einander es tun. Ein „Tsadeq“ will man sein, ein „Sadeq“ in Arabisch. Das ist ein Wahrhaftiger zu sein. Ein Mensch der aufrichtig ist und sich nicht bon Gier und Subjektiven Motiven alleine leiten lässt. Ein Tsadek macht das Richtige für den Willen das Richtige zu tun und nicht für die Konsequenzen die daraus folgen.

Dies ist das anzustrebende Ideal, welches man zwar oft verfehlt aber dahin strebt. Eli und ich verstehen uns ohne Erklärungen. Es ist als würde man mit einem Insider in einer Szene mit wenigen Symbolen ein ganzes System andeuten und darin handeln, während der Aussenstehende nicht weiß worum es geht. Wir aßen noch eine Kleinigkeit zusammen und natürlich wollte Eli dass ich viel esse, aber ich bin da wohl doch zu deutsch geworden und habe mich durchgesetzt nur einen kleinen Snack bestellt.

Eli + und ich frage mich immer noch woher er diese Energie bekommt – weigerte vehement meinen Vorschlag anzunehmen, mich im Zug nach Tel Aviv abzusetzen, sondern fuhr mich zurück und verabredete sich mit mir mich am nächsten Tag abzuholen, um Yad Vashem in Jerusalem zu besuchen.

Nun bin ich schon drei Nächte hier und habe so viel von den Menaczhen erlebt wie ich es beim besten Willen nie erwartet hätte.

Ich bin aufgeregt Yad Vashem zu besuchen.

Im Haus haben ich dann noch mit den dreien bis 1:30 Musik gemacht und etwas gejammt.

Keine Chance, dass ich so früh nach Jerusalem kann. Ich sendete Eli eine WhatsApp ob es nicht um 11 Uhr gehen würde anstelle von 10 Uhr. Ich war mir sicher, dass er schon schläft. Aber er war bei der allgemeinen Gesundheitskontrolle. Scheinbar kann man hier 24/7 durchweg Termine bekommen. Und so bekommt man schnell ein Termin. Erstaunlich!